20.08.2018

Keine Spielerei

Das Interview von Dunja Hayali zur „Spielhöllenbranche“

Dunja Hayali ist mutig. Die Situation: Die Kollegen vom NDR-Medienmagazin ZAPP haben sie im Visier. Weil sie neben ihren Moderationen im ZDF auch noch Veranstaltungen für Unternehmen und Verbände moderiert. Dazu bekommt sie eine Anfrage für ein kritisches Interview.

Und: Sie geht vor die Kamera. Da ist sie schon deutlich aufrechter als viele Repräsentanten aus der Wirtschaft. Die lassen in einem solchen Fall oft eine Mail von der Pressestelle schicken. Oder vom Anwalt.

Tipp vom Kommunikationsberater: Wer den Anwalt schickt, hat in der medialen Öffentlichkeit seine Reputation gleich verspielt. Kein Journalist lässt sich von sowas noch einschüchtern. Merke: Nur wer sich stellt, kann gewinnen.

Respekt also für Dunja Hayali. Auch wenn sie sich sichtlich unwohl fühlt. Ihr Körperhaltung – eine Schulter nach vorne – zeigt deutlich: Kalte Schulter! Also quasi: Mit Dir, Du Interviewer, will ich eigentlich nichts zu tun haben. Aber ich nehme den Kampf auf.

Diese ‚kalte Schulter‘ überträgt sich auch in ihre Rhetorik. Und damit verliert sie die Auseinandersetzung mit dem Journalisten. Das zeigt die dem Interview folgende Berichterstattung bis hin zur FAZ. Es gelingt ihr nicht annähernd, Verständnis für ihre Moderationen zu gewinnen. Warum nur? Was hätte sie besser machen können?

Der Journalist kommt moralisierend daher. Immerhin hat Frau Hayali Veranstaltungen für die Glücksspielindustrie moderiert. Böse, böse! Und das auch noch mehrmals. Also böse, böse, böse. Sowas tut ein Journalist nicht. Das sagt der Journalist zumindest. Wie er zu dieser Überzeugung kommt, das verrät er nicht.

Merke: So funktionieren Rhetorik und öffentliche Meinung nun mal: Moral wird – wenn gut behauptet – selten hinterfragt. Und Frau Hayali läuft mit ihren Antwort-Strategien ins Leere.

Warum? Schauen wir uns ihre Strategien an:

  • Strategie 1: Frau Hayali versucht, der Moral mit Fakten zu begegnen: Ich habe doch dort nur als Journalistin gearbeitet! Verstehen Sie? Nein!
  • Strategie 2: Frau Hayali versucht es mit Beteuerungen: Ich habe mein Honorar doch gespendet! Lassen Sie mich jetzt in Ruhe? Nein!
  • Strategie 3: Frau Hayali versucht’s mit Gefühlen – allerdings mit den eigenen: Ich wollte mich doch nur meinen Vorurteilen stellen! Finden Sie mich jetzt wieder nett? Nein!

Merke: Mit Fakten, Beteuerungen und eigenen Gefühlen hat noch nie jemals jemand eine rhetorische Auseinandersetzung gewonnen. Und erst recht nicht, wenn die Gegenseite mit der Moral argumentiert.

Die Teilnehmer unserer Medientrainings nehmen sich oft einen Satz mit. Der heißt: „Wer sich zuerst rhetorisch auf das Pferd der Moral setzt, den bekommt man da so schnell nicht runter!“
Nun sitzt der Journalist auf diesem Pferd. Und ich höre ich schon die Frage von Frau Hayali und allen anderen: Und jetzt?

Zugegeben: Wenn Fakten, Beteuerungen und eigene Gefühle als Argument nicht funktionieren – dann wird’s schwieriger. Dennoch: Seit mehr als 2000 Jahren produziert die Rhetorik auch hier eindrückliche Exempel für erfolgreiche Strategien. Dann geht es um Meta-Ebenen, Meta-Gefühle, Meta-Moral. Dunja Hayali bleibt in ihrer Argumentation konsequent egozentriert – bis hin zu ihrer Replik eine Woche später. Erfolgreiche Rhetorik aber ist immer alterozentriert.

Diese Strategien können wir in unseren Medientraininings erarbeiten, üben und trainieren. Nur ein Tipp: Wie wäre es, über die Gefühle der anderen zu argumentieren? Deren Gefühle und Bedürfnisse einzufangen? Statt nur sich selbst in den Mittelpunkt der Rechtfertigung zu stellen.

Ich hätte da ein paar Ideen. Und bin sicher: Damit kann auch Frau Hayali Schlagzeilen abräumen. Statt weitere zu produzieren.

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