07.05.2020

Die Renaissance des gesprochenen Wortes

Wie Corona alles „online“ macht. Und was das für Redner bedeutet.

Je mehr Konferenzen und Hauptversammlungen online stattfinden, umso mehr wird klar: Corona bringt uns eine Renaissance des gesprochenen Wortes. Mein Gegenüber hat nicht mehr, als meine auf 16:9 reduzierte elektronische Präsenz, um sich von mir überzeugen zu lassen. Oder eben nicht.

Der kleine Bildschirm fokussiert den Redner. Es gibt keine Ablenkung durch große Hallen, durch den Sitznachbar oder durch eine riesige Präsentation in der imposanten Bühnen-Deko. Jedes Quäntchen Nervosität des ist porentief und schweißnass auf dem Screen zu sehen. Jedes kopfgesenkte Ablesen von Zetteln macht aus der Ansprache einen Monolog. #Gähn

Und selbst der Teleprompter in der Hauptversammlung wird für den Vorstandsvorsitzenden zur Einbahnstraße in die Ödnis der Überzeugunslosigkeit. Weil der stetige Blick durch die Kamera hindurch bis zu mir als Zuschauer nicht mit den grausamen Texten korrespondiert, die der Chef da vorlesen soll. Das sind keine Sprechtexte. Wenn die aber als „Sprechen“ verkauft werden, wirkt der Vorstand auf dem kleinen Online-Screen wie eine plappernde Handpuppe aus dem Kindertheater.

Online wird aber in vielen Bereichen noch lange das „new normal“ sein. Und gerade bei Konferenzen, Hauptversammlungen und Events. Anlass genug, den rhetorischen Muskel wieder einmal zu trainieren.

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