09.06.2020

Der rhetorische Super-GAU bei „hart aber fair“

Wie ein Schlachter sich selbst auf die Schlachtbank führt.

Die Terminierung des Auftritts von Menschen wie Heiner Manten, einem erfolgreichen Unternehmer in der Fleischbranche, bei ‚hart aber fair‘ stelle ich mir ungefähr so vor:

  • Pressesprecher: „Chef! Da hat das Fernsehen angerufen. Sie sollen in eine Talkshow!“
  • Chef: „Na endlich! Ja, klar! Das mache ich!“
  • P: „Wollen wir das vorher mal durchspielen, vielleicht ein Medientraining?“
  • C: „Papperlapapp. Ich bin hier der Chef. Ich weiß sowieso alles.“
  • P: „Aber – vielleicht mal ein Blick auf die anderen Gäste“
  • C: „Wer isses denn?“
  • P: „Hubertus Heil zum Beispiel, der Minister. Echt hochkarätig besetzt!“
  • C: „Der Dicke! Hahahahahaha. Einer unserer besten Kunden. Gegessen!“
  • P: „Und eine Journalistin.“
  • C: „Was? Eine Frau? Hoffentlich zieht sie sich nett an. Was mit Beine zeigen und so. Das Auge isst ja mit. Hohohohohohoho…“
  • P: „Und einer von der CSU.“
  • C: „Ach, die haben wir sowieso gekauft. Keine Gefahr.“
  • P: „Aber der Moderator, Herr Plasberg. Der ist nicht ohne.“
  • C: „Also bitte: Wie man große Tiere schlachtet, da habe ich ja nun wahrlich Erfahrung…. Hahahahahahahaha…“

So ungefähr muss es gelaufen sein. So wie es eben so häufig läuft. Über das Ergebnis des Fernsehauftritts von Herrn Manten kann ein Gentleman nur schweigen. Und höchstens die Frankfurter Rundschau zitieren. Sie fand den Aufritt des Herrn Manten „erbärmlich“. Und liegt mit dem Urteil gar nicht so daneben. 

Die Rundschau attestiert dem meist mehr harten als fairen Moderator Frank Plasberg sogar ein Gefühl von Mitleid mit dem Großschlachter. Weil der strategisch und rhetorisch wirklich so alles falsch gemacht hat, was man falsch machen kann. Die Zeitungen sind heute voll mit Dokumentationen dieses wohl misslungensten Fernsehauftritts seit Wochen und Monaten. Dazu muss ich mich hier gar nicht mehr äußern. Wer mag, kann sich das auch in der Mediathek anschauen. Fremdschämen auf schlimmstem Niveau.

Was hat der Mann denn nun falsch gemacht? Die Antwort: Alles! Natürlich hatte er sich vorbereitet. Mit Zahlen, Daten und Fakten. Bloß: Das bringt alles nichts, wenn das Thema vor allem Emotionen bedient. Natürlich weiß er als großer Player in der Branche so viel, dass er alle Fragen richtig beantworten kann. Allein: Nach seinem Fachwissen fragt ihn hier keiner, weil eine Talkshow keine IHK-Prüfung ist. Und: Sein Gegner ist nicht der Moderator. Sondern seine Zielgruppe sind die Zuschauer. 

Alles Dinge, die man wissen muss. Sonst verfängt man sich im Netz aus Unwissenheit, Ehrgeiz und Eitelkeit. Mit dem Ergebnis, dass man am nächsten Tag in den Medien der Depp der Nation ist. Quod erat demonstrandum.

Selbst der Arbeitsminister Hubertus Heil hatte offenbar so viel Mitleid mit dem Schlachter, dass er ihm mehrfach angeboten hat, über die Ausgestaltung der neuen Arbeitsregeln gerne mit ihm zu sprechen. Zitat des Ministers: „Wir machen das auf jeden Fall. Über das ‚wie“ spreche ich gerne mit Ihnen!“ Was für ein Angebot! Eine freie Lobby-Autobahn direkt ins Ministerium. Dafür halten sich andere Berufsverbände in der Hauptstadt Horden von teuren Adressbuch-Managern. Und der Herr Manten bekommt‘s geschenkt. Das könnte sein kleinster größter Erfolg dieser Sendung sein. 

Und dann das! Die berühmte Schlussfrage von Frank Plasberg. Sinngemäß: Wenn Sie ein Schwein wären, mit welchem der Teilnehmer würden Sie einen Stall teilen? Und warum? Die Antwort von Münten: Er wisse aus dem Flugzeug, dass es mit Dicken nebenan ganz schön eng werden könne. Daher nehme er die dünne Journalistin. Rums. Mit einem Mal war die Tür zum Arbeitsministerium des Genussmenschen Heil wieder zu. Und die Tür zum Alphatierchen-Macho-Verließ weit offen.

Es gibt ja das Sprichwort von den dummen Tieren, die sich ihren Schlachter selbst aussuchen. In dieser Sendung hat sich der Schlachter rhetorisch selbst den Bolzenschuss versetzt. Das muss man erstmal schaffen.

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