11.04.2022

Die rhetorische Anne Spiegel – oder: warum eine Entschuldigung allein nicht hilft.

Eine rhetorische Stil-Kritik von Markus Resch

Wenn man sich erinnert, wie sehr Anne Spiegel an ihrer Wirkung liegt, dann ahnt man, wie sie unter der seltsamen PK gelitten haben muss. Das muss für sie ein politischer Offenbarungseid gewesen sein, ein völliger Gesichtsverlust. So zerstört sah sie aus, so sprach sie auch.

Schade! Das hätte auch ganz anders kommen können. Aber es ging ihr wieder nur um sie allein. Sie wirft alles in die Waagschale, was sie hat – das Privatissime ihres gesundheitlich stark angeschlagenen Mannes – und erntet dafür das Image einer überforderten Ministerin. Hatte sie auf Mitleid gehofft? Sowas kennt das politische Geschäft eher nicht. Anne Spiegel macht dabei zwei strategisch-rhetorische Fehler

Erstens: Sie steht in der Kritik, weil man ihr vorwirft, die Menschen an der Ahr vernachlässigt zu haben. Mit genau diesen Menschen sollte ihr Statement daher anfangen. Stattdessen beginnt es mit: ich. Immer wieder windet und wendet sie sich rhetorisch ul ihr eigenes familiäres Schicksal. Um tut damit genau das, was man ihr immer wieder vorwirft: sie kreist nur um sich. In der Rhetorik und in der Wirkung geht es aber immer um die anderen.

Man spürt, wie schwer es ihr fällt, die Tür zu ihrem Privaten zu öffnen. Warum tut sie es überhaupt? „Die Menschen an der Ahr und die Menschen im ganzen Land sind enttäuscht von meinem Verhalten. Sie fühlen sich im Stich gelassen von ihrer Ministerin . Das habe ich verstanden. Das tut mir sehr leid. Und ich bitte diese Menschen aufrichtig um Entschuldigung.“ Was für ein Einstieg wäre das – gewesen

Es ist eine rhetorische Mechanik: wenn man sich zuerst entschuldigt und dann die Gründe erläutert, das wirkt anders, als wenn man sich zuerst erklärt und dann entschuldigt. Gründe sind – rhetorisch – die Pest. In einer so emotional aufgeladenen Situation geht es niemals um Gründe. Sondern immer um Gefühle. Erst die anderen. Dann das Ich. So funktioniert die Logik der Rhetorik. Damit dokumentiert man, was einem wirklich wichtig ist.

Der zweite Fehler: Der Anfang in der Rede ist so wichtig wie das Ende. Mit dem Ende bestimmt man die Interpretation seines Auftritts. Das Interessante: Anne Spiegel merkt selbst, dass da was nicht stimmt und dass sie das irgendwie abbinden muss. Und schaut hilfesuchend nach rechts. Sie spürt, dass sie ihre Geschichte nicht zu Ende bringt. Dass da was fehlt. Was denn? Na, Ihre Haltung. Dass sie entweder aus guten Gründen zurücktritt. Oder dass sie aus noch besseren Gründen weitermacht. Dass sie die Hoheit über ihr Handeln behält.

Jeder Schriftsteller weiß: eine gute Geschichte hat ein Anfang und ein Ende. Mit dem Anfang berühre ich die Leser, indem ich mich ihrer Gefühle bediene. Und mit dem Ende entlasse ich sie in eine bessere Welt. Dazwischen kreise ich um meine Protagonisten. Anne Spiegel kreist rhetorisch nur um sich. Und deswegen findet ihre Geschichte bislang kein gutes Ende.

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